Keine Chancengleichheit ohne Geschlechtergerechtigkeit?

09.03.2023

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Author: Redaktion
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Zitat Larissa Fuchs

Larissa Fuchs im Campus Talk: Teil 1

Das Recht auf die Gleichstellung von Frauen und Männern existiert bereits seit 1949 durch das Inkrafttreten des Grundgesetzes der Bundesrepublik. Die noch nicht erreichte Geschlechtergleichheit sorgt für eine nicht bestehende Chancengleichheit. Viele Frauen befürchten, beispielsweise hinsichtlich der Inanspruchnahme von Elternzeit, Nachteile und Diskriminierung in der Karriere.

Auch für Student*innen ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihnen in ihrer beruflichen Zukunft eine solche Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, ethnischer Herkunft oder sexueller Orientierung  widerfährt, leider nach wie vor sehr hoch.

Im Rahmen unserer Studienreihe Fachkraft 2030 haben wir zum Thema Chancengleichheit circa 12.000 Studierende befragt. Auch Larissa Fuchs forscht im Rahmen des FAIR-Projekts zu diesem Thema. Ob sie selbst befürchtet, Diskriminierung zu erleben und warum sie der Ansicht ist, dass man diese in manchen Fällen auch für sich nutzen kann und sollte, erfahrt ihr im Folgenden!

Wer ist eigentlich Larissa Fuchs?

Larissa Fuchs

Nach dem Abschluss ihres Bachelor-Studiums in Wirtschaftswissenschaften an der Goethe Universität Frankfurt sowie dem darauffolgenden Master im Bereich VWL in Bonn, war sie zunächst ein Jahr in der Beratung tätig und stieg anschließend in die Promotion ein.

Für die Zukunft hat Larissa viele Ideen: Nach Beendigung ihrer Promotion wäre sie gerne in der Forschung tätig, kann sich aber auch vorstellen zu lehren. Ebenso zieht sie eine andere Position im akademischen Sektor in Betracht. Die Hauptsache für sie ist, empirisch arbeiten zu können.

Diskriminierung musste Larissa schon zu Schulzeiten, beim Wechsel von der Realschule auf das Gymnasium, erleben.

„Der Anteil der Kinder von Nicht-Akademiker*innen, die Abitur machen und dann studieren, ist klein. Ich wurde oft abgestempelt und unterschätzt, musste somit definitiv mehr Hürden als andere bezwingen.”

Das FAIR-Projekt

Larissa Fuchs ist Teil der Forschung am FAIR-Projekt. Ziel ist es, die Diskriminierung bei der Personalauswahl mittels Algorithmen abzubauen oder zu reduzieren.

„Die Algorithmen bieten die Chance, fairere Entscheidungen bei der Personalauswahl zu treffen als Menschen", betont Larissa. Auch die Algorithmen müssten angelernt werden und müssten zuvor mit den richtigen Kriterien aufgesetzt sein. Mithilfe von Kontrollmechanismen würden diese dann im Anschluss auf Diskriminierung geprüft – hierfür wurde als Gegenspieler der „FAIR-Index” entwickelt.

Wie kann man Diskriminierung für sich nutzen?

Larissa selbst befürchtet bisher keine Diskriminierung in zukünftigen Bewerbungsverfahren aufgrund ihres Genders. Und das, obwohl sie im MINT-Bereich arbeitet, der meist von Männern dominiert ist. Falls es aber doch passieren sollte, sieht sie darin sogar eine Chance: 

„Wenn man als Frau unterschätzt wird, ist das erstmal eine angenehme Startposition, man kann im Endeffekt nur positiv überraschen.”

Im Bezug auf die Familienplanung und die mittel- und langfristige Karriere erwartet sie jedoch definitiv einen Nachteil: 

„Das ist ja auch der Grund, warum Frauen zumeist nie ganz oben ankommen. Ab einer gewissen Hierarchieebene haben Männer schon mehr Erfahrungen gesammelt als ihre Kolleginnen. Frauen können ihre jobspezifischen Fähigkeiten während der Elternzeit nur bedingt weiterentwickeln.”

Seit 2015 ist es für beide Elternteile möglich, gleichzeitig bis zu drei Jahre Elternzeit zu beanspruchen. Laut Statistischem Bundesamt stieg die Elternzeitquote innerhalb von 10 Jahren (2011 bis 2021) um ein Fünftel an. Jedoch ist der Anteil der Väter in Elternzeit, trotz steigender Tendenz, nach wie vor sehr gering. So nahmen lediglich 1,6 % der Männer (deren jüngstes Kind unter 6 Jahren ist) Elternzeit in Anspruch, währenddessen es fast 25 % auf weiblicher Seite waren.

Chancengleichheit in Euro: Was ist mit dem Gender Pay Gap?

Auch der Gender Pay Gap ist ein Beleg für die fehlende Chancengleichheit im Beruf.

Für Larissa sind insbesondere die Lohnspiegel ein gutes Hilfsmittel, um eine unfaires Gehalt zu vermeiden.

„Gerade in der akademischen Welt gibt es Richtwerte für den Verdienst. Ich persönlich glaube nicht, dass ich eine geringere Bezahlung als männliche Kollegen erhalte, weil ich meine Gehaltsvorstellungen sehr hoch ansetzten werde, nur aus dem Wissen heraus, wie viel andere durchschnittlich verdienen. Es ist wichtig, seinen eigenen Wert zu kennen!”

Was also tun wenn man diskriminiert wird?

Die Reaktionen auf Diskriminierung sind individuell. Man fühlt sich verletzt, wütend oder auch hilflos. Um sich von diesen Gefühlen nicht vereinnahmen zu lassen, kann es helfen, sich einer Vertrauensperson zu öffnen und anzuvertrauen. Falls man die diskriminierende Person mit ihrem Handeln konfrontieren möchte, kann es hilfreich sein, ein offenes Gespräch mit einem neutralen Mittler zu führen. Zielführend ist hier in jedem Fall eine gewaltfreie Kommunikation. Weitere Tipps findet ihr aber auch beispielsweise bei der Organisation Antidiskriminierung.

Im Jahr 2023 sollte keine*r mehr Angst haben müssen, diskriminiert zu werden. Die Diversität im Alltag und im Berufsleben ist eine Bereicherung und sollte auch als solche wahrgenommen werden. Es ist egal, wer wen liebt oder wie jemand aussieht, und welchem Gender man sich zugehörig fühlt. Was zählt, ist und sollte die Qualifikation und Leistung einer Person. 

Das Interview haben wir mit Larissa 2021 geführt.